Die Qualität muss stimmen – ein TÜV für 3D-Stadtmodelle?

[:en] [:de]vom 13.03.2018  |  3D-Stadtmodelle

Eindrücke vom Workshop 3D-Stadtmodelle in Bonn

Prof. Dr. Volker Coors, HFT Stuttgart

Bettina Petzold und Ekkehard Matthias verleihen Herr Bidah die Urkunde für den besten Beitrag zum studentischen Wettbewerb „3D-Stadtmodelle“ für seine Arbeit „Kühlenergiebedarf-Analyse in Wohn- und Nichtwohngebäuden unter Verwendung von CityGML".

Bettina Petzold und Ekkehard Matthias verleihen Herr Bidah die Urkunde für den besten Beitrag zum studentischen Wettbewerb „3D-Stadtmodelle“ für seine Arbeit „Kühlenergiebedarf-Analyse in Wohn- und Nichtwohngebäuden unter Verwendung von CityGML”.

Die gemeinsame Kommission „3D-Stadtmodelle“ der Deutschen Gesellschaft für Kartographie und Geoinformatik e.V. und der Deutschen Gesellschaft für Photogrammetrie, Fernerkundung und Geoinformation e.V. haben in November 2017 zum 9. Mal zum Workshop nach Bonn eingeladen. Rund 90 Teilnehmer nutzen die Gelegenheit, um an zwei Tagen intensiv über Ersterfassung, Visualisierung, Qualitätsmanagement und Fortführung von 3D-Stadtmodellen zu diskutieren.

Einen Einblick in der Weiterentwicklung von CityGML gab Prof. Löwner, Universität Braunschweig und Sprecher der AG Modellierung der SIG3D. Er ist dabei insbesondere auf das neue Level-of-Detail (LoD) Konzept eingegangen. Eine wesentliche Neuerung ist die Möglichkeit, auch Innenraummodelle in verschiedenen Detaillierungsstufen zu erstellen. Die aktuelle Version CityGML 2.0 sieht in den Detailstufen LoD 1 – 3 nur die Modellierung der Gebäudehülle vor, Innenräume sind derzeit auf LoD 4 beschränkt. Dies ist für Anwendungen wie Navigation in Gebäuden allerdings unzureichend. Ein weiterer Aspekt im neuen LoD-Konzept ist die Nutzung von CityGML in Kontext Building Information Management (BIM), um den zunehmenden Anforderungen, CityGML auch in BIM-Anwendungen zu nutzen, Rechnung zu tragen. Es soll damit erreicht werden,  sowohl CityGML direkt als Grundlage für BIM zu nutzen als auch eine Abbildung von CityGML auf den vielen BIM Anwendungen zugrunde liegenden Standard IFC zu vereinfachen. Insbesondere die Systemgrenze CityGML / BIM wurde leidenschaftlich und kontrovers diskutiert. Das neue LoD-Konzept ist bereits der CityGML Standard Working Group des Open Geosptial Consortium (OGC) vorgestellt worden und soll in CityGML 3.0 einfließen.

Eine weitere Aktivität im Bereich Standardisierung wurde vom Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung in Darmstadt vorgestellt. Im Rahmen des OGC Testbed 13 wurde die interoperable 3D-Visualiserung von großen 3D-Stadtmodelle getestet. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Nutzung des OGC-Standards 3D Portrayal Service und den Datenformaten I3S und 3D-Tiles, die eine Kachelung und Übertragung von großen Geodatenbeständen unterstützen. Am Beispiel von den 3D Stadtmodellen New York und Berlin wurden verschiedene Varianten vom CityGML Modell über eine Datenbank zur interaktiven web-basierten Visualisierung  erfolgreich getestet.

Eine sehr schöne Anwendung von 3D-Stadtmodellen hat Herr Bidah, Karlsruhe Institut für Technologie, mit seiner Master-Arbeit zur Kühlungsbedarfs-Analyse in Wohn- und Nichtwohngebäuden unter Verwendung von CityGML präsentiert. Die Arbeit zeigt, dass 3D-Stadtmodelle zunehmend auch für Analyse und Simulationszwecke in anderen Fachdisziplinen eingesetzt werden, um Fragen zur Gestaltung von Klimaschutz und CO2-Reduktion zu analysieren. Die Master-Arbeit von Herrn Bidah wurde von der Kommission „3D-Stadtmodelle“ als bester Beitrag im Wettbewerb für studentische Arbeiten prämiert. An dieser Stelle möchte ich Herrn Bidah noch einmal für seine tolle Arbeit gratulieren.

Der Themenschwerpunkt „Fortführung und Qualitätsprüfung“ von 3D-Stadtmodellen nahm durch Erfahrungsberichte und neue Methoden zur Prüfung und Änderungsdetektion den Rest des ersten Tages ein. Mit Beiträgen von Herr Hümmer, Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung Schwabach, zur Fortführung des Gebäudemodells LoD2 in Bayern, Herrn Gehrung, Fraunhofer IOSB, zur Änderungsdetektion in urbanen Gebieten, Herrn Jung, Stadt Bochum, zur Fortführung des 3D-Gebäudemodells aus ALKIS und Herrn Arndt, Stadt Oldenburg, zu den Erfahrungen beim Aufbau eines 3D-Stadtmodells wurde dieser Themenkomplex sowohl aus kommunaler Sicht, als auch seitens der Landesvermessung und Forschung sehr gut vertreten.

Herr Dr. Averdung, CPA ReDev GmbH, hat eine neue Methode zur Prüfung von 3D-Stadtmodellen mit Hilfe von Laserscanner-Daten vorgestellt, mit der Abweichungen von Gebäudegeometrie und Messdaten systematisch bewertet werden können. Durch die Generalisierung des Gebäudemodells ist eine Abweichung von Punktwolke und Gebäudemodell nicht zu vermeiden. Dies macht die Bewertung von Diskrepanzen zwischen Modell und gemessenen Daten nicht einfach – welche Abweichung ist durch Generalisierung gewollt, welche einem Fehler durch Modelliierung geschuldet? Hierzu kommt bei der vorgestellten Methode ein statistisches Verfahren zur Bewertung zum Einsatz.

Herr Chaouali, Landeshauptstadt Hannover, hat die Nutzung und den Prozess zur Fortführung des 3D-Stadtmodells Hannover erläutert. Grundlage bildet dabei das Modellierungshandbuch der SIG3D. Aufgrund der Erfahrungen mit Modellierungssoftware und den vorhandenen Prüfwerkzeugen hat er einen firmenunabhängigen „TÜV für 3D-Stadtmodelle“ gefordert, was zu einer sehr angeregten Diskussion unter den Teilnehmern geführt hat. Es zeigt sich, dass die Anforderungen an 3D-Stadtmodelle durch zunehmende Anwendungen, die über eine Visualisierung hinausgehen, deutlich steigen.

Der zweite Tag begann mit dem Motto „virtuell und analog“. Frau Schröter, Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung Hamburg, befasste sich mit der Rolle des 3D-Stadtmodells in der Stadtplanung. Sie zeigte an Beispielen aus der Praxis auf, wie sich der Wandel vom physischen 3D-Stadtmodell zum virtuellen 3D-Stadtmodell als Arbeitstisch für Architekten und Stadtplaner vollzieht und auch dem Bürger eine Informationsplattform bietet.

Den Weg zurück vom virtuellen zum analogen 3D-Modell beleuchtete Herr Teller in seinem Beitrag zum 3D-Druck. Neben einem fundierten Überblick zum aktuellen Stand der Technik zeigte er sehr schöne Modelle aus der eigenen Werkstadt. Die Diskussion zum Qualitätsmanagement von 3D-Stadtmodellen vom Vortag wurde wieder aufgegriffen, da auch der 3D-Druck hohe Ansprüche an die Modellgeometrie stellt.

Einen sehr interessanten Einblick zur Vermarktung des bundesweiten 3D-Gebäudemodells gab Frau Will von der Bezirksregierung Köln. Die „Zentrale Stelle Hauskoordinaten und Hausumringe“ (ZSHH) bietet ein bundesweites 3D-Gebäudemodell in Detailstufe LoD 1 mit über 50 Millionen Gebäuden an. Frau Will betonte dabei den dynamischen Geodatenmarkt, der in den vergangenen Jahren stark von  IT-Unternehmen wie Google und Apple als „neuen Playern“ geprägt wurde und ging auf Themen wie Qualitätsmanagement und  Open Data ein. Der Ausblick auf ein bundesweites LoD 2-Modell, dass die ZSHH aufgrund eines AdV-Beschlusses ab Januar 2019 bereitstellt, wurde mit großem Interesse aufgenommen.

Die folgenden drei Vorträge zeigten neueste Entwicklungen aus den Hochschulen. Herr Prof. Kada, Institut für Geodäsie und Geoinformationstechnik an der TU Berlin, gab einen Einblick in die Weiterentwicklung der Ableitung von 3D-Gebäudemodellen unter Nutzung maschinellen Lernens. Insbesondere wurden Ansätze einer graph-basierten Dachformerkennung vorgestellt und aufgezeigt, wie sich neuronale Netze und Deep Learning Ansätze nutzen lassen, um die Zuverlässigkeit bei der Ableitung von Dachlandschaften aus Punktwolken weiter zu verbessern.

Herr Höhl, Hochschule Augsburg, gab in seinem Werkstattbericht einen Überblick über zahlreiche Arbeiten aus Forschung und Lehre zu Virtual und Augmented Reality (AR) Anwendungen. Exemplarisch seien der „History Traveller“ und „Cowboys vs Zombies“ herausgegriffen, die das gesamte Spektrum von mobiler ortsbezogener AR bis hin zu Spielen mit Bio-Feedback darstellen.

Abschließend stellte Herr Dr. Schneider von der HFT Stuttgart eine gemeinsame Arbeit mit der Daimler AG zum Thema autonome Fahrzeuge vor. Er ist insbesondere auf die Kalibrierung von Laserscan Sensoren eingegangen, um aus fünf im Fahrzeug eingebauten Laserscannern während der Fahrt ein detailliertes dreidimensionales Umgebungsbild zu erstellen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass sich die zwei Tage in Bonn sehr gelohnt haben. Es war ein wie gewohnt sehr interessantes Vortragsprogramm und es gab ausreichend Zeit zur Diskussion und zum Erfahrungsaustausch unter den Teilnehmern. In diesem Jahr feiert der Workshop 3D-Stadtmodelle sein 10-jähriges Jubiläum. Es gibt vom 13.-14.11.2018 in Bonn neben dem Fachprogramm auch etwas zu feiern.